Als hätte ich mir in letzter Zeit nicht schon genug neue und alte CDs zugelegt, von denen ich bestimmt die Hälfte noch nicht so intensiv gehört habe, wie sie es eigentlich verdiente hätte, kam nun auf den letzten Drücker noch meine persönliche vierte aus der 2011er Queen Remaster Serie (allgemeine Ausführungen siehe Review zun "Queen I") hinzu. Chronologisch wäre eigentlich das Superlativalbum "A Night At The Opera" dran gewesen, aber mir war dann doch nach persönlich weniger vertrautem Terrain...
QUEEN -Innuendo (2011 Remaster Deluxe Edition) (1991)
Als "Innuendo" erschien, war es für den gerade Heavy, Thrash und Death Metal bis Grindcore und andere extreme Musikstile entdeckenden Vierzehnjährigen, der nun unfassbare zwanzig Jahre später diese Zeilen schreibt, eine ziemliche Enttäuschung.
In der Musikpresse war die illusionäre Hoffnung auf eine zweite Opernnacht geschürt worden, der auch ein überragendes Spitzenalbum kaum gerecht werden konnte.
In der Rückschau muss ich allerdings einräumen, dass sich Queen auf dem letzten zu Freddie Mercurys Lebzeiten veröffentlichten Album diesem Anspruch schon erstaunlich weit angenähert haben. Nein, mit Heterogenität und Pathos wurde hier wahrlich nicht gekleckert.
Doch damals hat bei mir eigentlich nur der bombastische Titelsong mit seinem irrwitzigen Flamenco-Mittelteil gezündet, so dass ich mich auch mit der Single begnügt habe. Schon mit der Produktion des restlichen Albums, die sich so gar nicht festlegen mochte, ob sie Rock oder Pop sein wollte, waren meine pupertierenden Ohren wohl schon überfordert. Und auch inhaltlich lag da etwas schwer fassbares in vielen Songs, das nicht unbedingt meiner Erwartungshaltung an ein Rockalbum entsprach.
Heute wissen wir natürlich alle um den Hintergrund, vor dem dieses Album entstanden ist. Und dieses Wissen macht eine differenzierte Beurteilung von "Innuendo" im Grunde unmöglich, da es doch bei jedem Hören mitschwingt. Wer sich todkrank immer wieder aufrafft, um im Studio einige der größten Gesangsleistungen seiner Karriere abzurufen ("Don't Try So Hard"), der darf es - als Sänger von Queen sowieso! - mit dem Kitsch auch mal einen Schritt zu weit treiben oder ein albernes Liedchen über seine Lieblingskatze ("Delilah") singen.
Auch kann man sich ja gar nicht dagegen wehren, jede Textzeile auf möglichen Bezug zu Mercurys Lebenssituation zu analysieren, auch wenn ein solcher oft vermutlich gar nicht gegeben ist.
Wer weiß - vielleicht wäre vieles mit einem kerngesunden Sänger gar nicht so anders ausgefallen. So gab es einen beinahe klassischen Gospel ("All God's People") ja schließlich auch schon mit "Jesus" auf der allerersten Veröffentlichung der Königlichen.
Wie auch immer es darum bestellt sein mag, "Innuendo" ist selbstverständlich das große Denkmal des Freddie Mercury, mit dem er theatralisch und gleichzeitig künstlerisch wertvoll wie kein Rockstar vor oder nach ihm seinen eigenen Abgang orchestriert hat. Wie kann man dieses Album hören, ohne spätestens im Finale der abschließenden Hymne "The Show Must Go On" eine Gänsehaut zu bekommen?
Anderseits - und das ist der Punkt, der mich nun nach dem neuem Kennenlernen sehr positiv überrascht hat - ist "Innuendo" auch ein wirkliches Gemeinschaftswerk einer Rockband, zu der jedes Mitglied einen enormen kreativen und spielerischen Anteil beigesteuert hat. Auch wenn bei einem so breiten stilistischen Spektrum zwangsweise nicht jeder Song auf gleicher Höhe begeistern kann, so sind doch sämtliche Stücke überreich an Ideen, Details und dem spürbaren unbedingten Willen, noch einmal so richtig auf den Putz zu hauen.
Der remasterte Sound transferiert "Innuendo" klanglich perfekt in die Zeit der zu spät Geborenen oder damals ignoranten Teenager. Mich haut dieses Werk gerade richtig um - so groß hatte ich es wahrlich nicht in Erinnerung. Eine sehr schöne Nach-Weihnachts-Überraschung!
Geschmälert wird der Eindruck erwartungsgemäß durch die magere Bonus-CD. Wobei alle Stücke darauf durchaus hörbar sind und ihre Berechtigung haben. Aber wenn es gerade aus dieser Schaffensphase doch laut Wikipedia noch so viele unveröffentlichte Songs geben soll, wären diese dann nicht relevanter als die Pilotgesangsversionen von "Ride The Wild Wind" und "Headlong" bzw. die alternativen Varianten von "I Can't Live With You" und "I'm Going Slightly Mad"?
Immerhin ist mit Brian Mays Blues "Lost Opportunity" auch eine nicht schon vom Album bekannte Komposition vertreten. Trotzdem hat man wieder einmal das Gefühl, dass das exklusivste Bonusmaterial möglicherweise für eine dieser superteuren Sammlerboxen, wie sie bei vielen Bands bzw. Plattenfirmen aktuell in Mode sind, aufgespart wird.
Schade eigentlich. Folglich kann man bei "Innuendo", ähnlich wie bei "Sheer Heart Attack", auch gepflegt zum günstigeren Fußgänger-Remaster statt zur Deluxe-Version greifen, ohne dass einem etwas essentielles entgeht.
Das Album selbst jedoch würde ich aber auf keinen Fall noch einmal zwanzig Jahre lang verpassen wollen. Wir haben viel nachzuholen, wir beide!
Anspieltipps: Innuendo, The Show Must Go On, Don't Try So Hard, I'm Going Slightly Mad