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2018-11-30

MOURNFUL CONGREGATION, OPHIS + LONE WANDERER live im Bambi Galore, Hamburg (29.11.2018)

Mournful Congregation


Funeral Doom ist der ultimative Doom. Höchstens Drone Doom denkt das Genre sonst so konsequent zu Ende. Wenn allerdings gleich drei Bands aus dem Subgenre bzw. seiner unmittelbaren Peripherie hintereinander auftreten, kann zwischendurch selbst für den Genießer durchaus mal eine leichte Sättigung auftreten.

Zum Glück waren gestern - gerade angesichts der Randgruppenaffinität der Musik - doch reichlich Freunde des Zeitlupengrabgesangs ins Bambi Galore gekommen, die sich auf dieses Risiko einlassen wollten.


Lone Wanderer

Lone Wanderer aus Freiburg eröffneten den Abend mit einem starken Set, dessen einzige Schwäche war, dass mir noch das ganz deutliche Alleinstellungsmerkmal fehlte.

Der Frontmann wusste gut im genretypischen Hall zu gurgeln, der Sound der Saiteninstrumente war geschmackvoll, es gab toll traurige Leadgitarren, ein punktgenaues, sparsames, stilistisch in sich schön stimmiges Drumming und natürlich geradezu endlos lange Songs. Insgesamt bot die Gruppe eine sehr ordentliche Funeral-Doom-Blaupause, die alle erwarteten Grundelemente gekonnt umsetzte.

Nur das ganz Originäre fehlte mir wie gesagt noch.


Ophis

Die zentrale Anekdote des Auftritts der Hamburger Ophis, welche die ganze Tour als Supportband begleiten, bescherte uns bereits der Soundcheck.

Sänger: "Achte beim Gesang darauf, dass unfassbar viel Hall drauf ist. Und wenn Du denkst, das ist zu viel, dann machst Du noch ein bisschen mehr!"
Mischer: "Also wie vorhin."
Sänger: "Nee, mehr."

Ob dieser Fetisch jetzt tatsächlich etwas gebracht hat, weiß ich nicht wirklich. Vielleicht war es die Tatsache, dass man mit einem gerade frisch eingeprobten Ersatzgitarristen spielte, aber im Vergleich zu Lone Wanderer fand ich Sound und Zusammenspiel hier weniger koherent.

Stilistisch fuhren Ophis keine hundertprozentige Funeral-Doom-Schiene, sondern brachten auch grobe Death-Metal-Einflüsse ins Spiel. Diese Parts waren dann teilweise die besten, teilweise allerdings auch gar nicht die besten. Insgesamt kann ich nicht sagen, dass Ophis schlecht sind, aber sie haben doch zumindest gemischte Gefühle hinterlassen und in der zweiten Hälfte ihres Sets eine Weile das weiter oben beschriebene Übersättigungsgefühl verursacht.



Mournful Congregation


Ganz und gar keinen gespaltenen Eindruck hinterließ dann jedoch der Headliner aus Australien. Nach dem sensationellen Album "The Incubus Of Karma" waren meine Erwartungen an die Altmeister Mournful Congregation ziemlich hoch gesteckt - und wurden vollends erfüllt.

Schon beim ersten Riff und dem ersten Gutturalgegrunze war klar, dass sich sich das Niveau jetzt in beinahe unverschämte Höhen hochschrauben würde. Die perfekte Schwere.

Das ganze große Pfund der Band ist jedoch genau wie auf Platte das harmonsiche Zusammenspiel der drei Gitarren. Mein Bruder sagte, dass wo andere Metalbands Wagner plündern, sich Mournful Congregation bei Brahms bedienten. Ich bin ja kein Klassikexperte, aber da scheint mir etwas dran zu sein. Auf jeden Fall ergänzen sich die Sechssaiter ähnlich wie ein Geigen-Terzett.

Wie feinsinnig detailliert diese Arrangements sind - und demaßen todesmajestätisch erhaben, ohne jemals die kritische Kitschgrenze zu überschreiten. Überhaupt schaffen Mournful Congregation es extrem gut, ihre Friedhofsschleichermusik stets interessant zu gestalten.

Ohne Zweifel eine wirklich fantastische Band und spätestens jetzt - Loss spielen ja nicht live - meine liebsten Stilvertreter neben Bell Witch.



Lone Wanderer:

 



Ophis:

 
 
 
 



Mournful Congregation:

 
 
 
 
 
 
 
 
 



2018-11-29

CHARLES BRADLEY - Black Velvet

Die im zarten Alter von sechzig Jahren gestartete internationale Karriere von Charles Bradley ist ja eines der raren wirklich bewegenden Pop-Märchen der jüngeren Vergangenheit. Zu schade, dass der späte Höhenflug im September letzten Jahres durch den Krebs beendet wurde.

Ganz aus dem Nichts kam der Aufstieg des "Screaming Eagle of Soul" natürlich nicht, hatte der Mann doch schon viele Jahre als Solokünstler live gespielt und Singles veröffentlicht; zudem trat er unter dem Namen "Black Velvet" in einer James Brown-Tributband auf. Dieser Künstlername ist nun auch Titel eines kürzlich posthum erschienenen Albums.




CHARLES BRADLEY - Black Velvet (LP) (2018)


Zunächst einmal muss man natürlich dem Verdacht nachgehen, dass es sich hier um das vorweihnachtliche Recycling eines Backkataloges handeln könnte. Doch tatsächlich sind die Songs allesamt entweder bisher unveröffentlicht oder nur in begrenzter Auflage als 7"-Single erschienen. Es ist also kein Best Of der Album. Könnte sich aber immer noch um Ausschussverwertung handeln, oder?

Zum Glück wurde aber keines der zehn Stücke aus dem Abfall gefischt. Nein, das hier ist alles Qualitätsmaterial. Und dafür, dass alles aus unterschiedlichen, über Jahre verteilten Sessions stammt, klingt das Gesamtwerk erstaunlich koherent. Das ist neben Bradleys eigener Präsenz vor allem der äußerst souveränen Menahan Street Band zu verdanken, die ihn begleitet. Der Titelsong ist sogar - für eine Veröffentlichung dieser Art ungewöhnlich - ein Instrumentalstück der Gruppe, welches sich perfekt einfügt und sowohl als Homage der Musiker an den Sänger als auch Respektbekundung des Labels an die Band verstanden werden muss.

So wie Charles Bradley inklusive der markerschütternden Soul-Schreie mit unglaublicher stimmlicher Ähnlichkeit zur kompletten Bandbreite von James Brown brilliert (am ehesten emanzipiert er sich in den gefühlvollsten, mit seiner eigenen Lebenserfahrung angereicherten Passagen vom Godfather, doch eine achtzigprozentige Übereinstimmung bleibt immer), so taucht auch die Menahan Street Band komplett in den Sound vor allem der Soulphase des Vorbilds ein. Und mit einem Gospelchor im Hintergrund vervollständigt sich das Bild zu einer perfekten The Famous Flames-Wiederauferstehung. Zumindest wenn dies gewollt ist zumindest.

Denn neben den deutlichen Reminiszenzen an den klassischen Brown-Sound, der ja passenderweise in eine Zeit fällt, als Musikalben noch keine originären Werke, sondern Kompilationen von Singles waren, setzt die Gruppe auch eigene Akzente und verweist wie z.B. in der spoken-words-lastigen Ballade "(I Hope You Find) The Good Life" auf modernere Sounds.

Der Song auf den ich am ehesten verzichten könnte, ist wohl das Neal Young-Cover "Heart Of Gold", welches schon auf Tori Amos' Coveralbum "Strange Little Girls" nicht zu meinen unbedingten Favoriten gehörte.

Eine andere Fremdkomposition hingegen überzeugt mich dafür umso mehr. Ausgerechnet dem Fuck-everything-Nirvana-Song "Stay Away" (nicht zu verwechseln mit "Slip Away" sechs Minuten vorher) hauchen Charles Bradley und seine Band hier ein neues, funky punchendes Leben ein, welche das Original erfrischend auseinandernimmt und zu etwas Ureigenem wiederaufbaut, das mir tatsächlich noch besser als bei Cobain und Co. gefällt.

Da die aus schön festem Karton hergestellte Plattenhülle zwar schlicht, aber eben auch schön klassisch gestaltet wurde, das Vinyl gut klingt und vor allem zu einem sehr fairen Preis angeboten wird, ist "Black Velvet" eigentlich ein Album, über dessen Anschaffung man nicht lange hin- und hersinnieren muss.

Für mich war's ein Spontankauf und ich bereue nichts. Ein würdiger Abschied von einem ganz großen Sänger.



Highlights: I Feel A Change, Don't Fight The Feeling, Stay Away, Victim Of Love (Electric Version), Black Velvet



ESBEN AND THE WITCH - Nowhere

Nicht nur, dass Esben And The Witch am 20. April 2017 die für mich beste Festival-Show des Tages gespielt haben, nein, mit der daraus resultierenden "Live At Roadburn"-LP haben sie sich sogar selbst überrascht, ist jene doch zu einer geradezu magischen Würdigung und Kulmination ihres zu jenem Zeitpunkt achtjährigen Schaffens als Band geraten.

Und wie geht es nun weiter?




ESBEN AND THE WITCH - Nowhere (crystal clear vinyl) (2018)


Mein erster zentraler Eindruck des neuen Albums "Nowhere" ist auch nach vielfachem Hören noch gültig - und hat sich im Grunde nur noch mehr gefestigt: Das Trio hat die Stimmung des Livealbums offenbar tief verinnerlicht und direkt als Inspiration angezapft. Der unverstellt raue Sound und die intensive Emotionalität der Studioaufnahmen könnte dem Konzert nämlich kaum ähnlicher sein. Würde nicht die Publikumsreaktion fehlen, könnte man dies glatt als Seite C und D von "Live At Roadburn" verkaufen.

Esben And The Witch live
Damit sage ich aber nicht, dass das Trio sich selbst kopiert hat. Dafür sind die sechs Songs hier allesamt schon viel zu stark. Tatsächlich sind sowohl die eindringlichen Balladen wie "Golden Purifier" und "Seclusion" als auch die z.T. derbe noisigen Stücke wie "Darkness (I Too Am Here)" oder "The Unspoiled" dermaßen einprägsam und bewegend, dass das Album zu jenen Fällen gehört, wo ich beim besten Willen nicht anders kann, als am Ende dieses Textes unter "Highlights" einfach alle Titel aufzulisten.

Jeder einzelne Track ist ein melancholisches, düsteres Post-Punk-Meisterstück. Rachel Davies' Gesang mit seiner kräftigen, oft gewagten, aber doch immer den richtigen Nerv treffenden Intonation irgendwo zwischen Emma Ruth Rundle und 80er-Jahre-Punk-Björk (Kukl anyone?) ist - auch dank ihrer beeindruckend evokativen Lyrik - über die gesamte Spielzeit die fesselnde Seele von "Nowhere".

Auch musikalisch sind Esben And The Witch eine Gefühlsband, bei der vor allem Spannung, Atmosphäre und Dynamik im Mittelpunkt stehen, von ruhigen Tracks, die an den Gothic Rock von Fields Of The Nephilim bis zu dröhnenden FRiffs, die aus dem Arenal von Crust- oder extremen Doom-Gruppen stammen könnten.

Mehr sage ich nicht zu "Nowhere", denn jeder weitere Einblick birgt die Gefahr des Zerredens in sich.


Die ersten dreihundert Exemplare der Scheibe sind signiert und kommen auf kristallklar transparentem Vinyl. Ein Booklet mit den Songtexten liegt bei. Hübsch.



Das Album ist auch als Spätankömmling ganz klar ein Kandidat für meine Best-of-2018-Liste, an der ich schon arbeite. Habe noch keine Ahnung, auf welchem Platz ich es einschiebe, aber dabei sein muss es. Alles andere wäre Quatsch.





Highlights: A Desire For Light, Dull Gret, Golden Purifier, The Unspoiled, Seclusion, Darkness (I Too Am Here)



2018-11-27

KIKAGAKU MOYO + THE HOLYDRUG COUPLE live im Hafenklang, Hamburg (26.11.2018)

Kikagaku Moyo

Der Schleswig-Holsteinische Zeitungsverlag hatte vor ein paar Tagen gefragt, welcher Großveranstaltung man denn diesen Wochenanfang lieber beiwohnen würde: Dem Spiel des HSV gegen Union Dings oder in der Arena direkt nebenan der Abschiedstour von Slayer.
Als ich teilnahm, lagen Slayer vorne, aber das ist später doch noch deutlich zugunsten der Ottonormalottos gekippt.

Wie auch immer, in der Praxis war diese Auswahl für mich ohnehin gegenstandslos. Im Hafenklang waren nämlich weder Zweite Liga noch Mehrzweckhallenfeeling angesagt, sondern psychedelische Weltklasse zum Anfassen.

Dass nicht mehr Wochenende war, konnte man auch hier  am Publikumsaufkommen nicht erkennen. Der Laden war an diesem Kikagaku Monday nämlich proppevoll.


The Holydrug Couple

Ziemlich viele Instrumente für zwei Typen, dachte ich zunächst. Dem Bandnamen zum Trotz traten The Holydrug Couple aus Chile dann allerdings zu dritt auf. Genügend zu tun gab es für den Einzelnen jedoch immer noch. So bediente das Livemitglied Keyboards und Bass, während der Sänger ebenfalls ein Keyboard und den Viersaiter, vor allem aber die Gitarre beackerte.

Die Basis des Bandsounds war meist betont entspannt, wobei gerade die Gitarre darüber durchaus gepflegt abspacend loopte und eskalierte. Stilistisch liegt dieses Ding irgendwo zwischen Dream Pop, John Lennon und sehr betont psychedelischem Jam.

Nicht jedes Stück war dabei ein Volltreffer, manchmal wurde mir das schon zu süßlich oder vom Gesang her effektüberladen. Insgesamt erzeugte der Auftritt jedoch mit variierender Klangpalette eine schön trippige Stimmung, welche sanft auf das kommende musikalische Großerlebnis vorbereitete.


Kikagaku Moyo


Hach, Kikagaku Moyo sind einfach brilliant. Dieses fabelhafte Zusammenspiel! Diese von allen Genrescheuklappen befreite Kombination aus so vielseitig bedienter elektrischer Sitar, Western-Klängen und japanischer Tradition mit deutschem Krautrock ist ein absoluter Abräumer. Wie sie sich zurückhalten, Spannung schaffen, um dann plötzlich in funkige Grooves zu springen oder gar in exzessiv lauten Fuzzrock zu explodieren, das hat eine Qualität, wie sie ganz und gar nicht auf Bäumen wächst.

Eindeutig eine meiner zentralen Roadburn-Entdeckungen dieses Jahres, war ich durch die Alben "House In The Tall Grass" und vor allem das neue "Masana Temples" nun besser darauf vorbereitet, was mich bei Kikagaku Moyo erwartete. Gerade diese beiden Werke waren in der Setlist auch sehr prägend vertreten. Die Songkenntnis, durch die man auch erkennt, wo sie über die Studioversion hinausjammen, gepaart mit der intimen Clubatmosphäre machte dieses Konzert für mich sogar noch besser als die Show auf großer Bühne in Tilburg.

Bleiben nur zwei Fragen:

1. Habe ich nicht aufgepasst, oder war das Cello am Bühnenrand nur zur Deko da? Ich vermute mal, da möchte jemand immer für den Fall eines unerwarteten zusätzlichen Einsatzes gewappnet sein. Dass der Gitarrist/Sänger das Ding spielen kann, habe ich ja im gemeinsamen Jam von Kikagaku Mojo mit Earthless bezeugen können.

2. Wie lange haben die Japaner eigentlich gespielt? Ohne Uhr verliert man dabei ja jedes Zeitgefühl. Wesentlich kürzer als bei Slayer mit drei Riesen-Supportacts kann es doch nicht gewesen sein, oder?

Und damit wir uns nicht missverstehen, klar hätte ich auch Bock auf Tom Araya und Co. gehabt. War bestimmt ein Knaller. Aber gegen das Preis-Leistungsverhältnis dieses exzellenten Hafenklang-Abends kann die Seelenloser Sponsor NurmäßigfürMusikgeignet-Arena unmöglich anstinken.

Nur das Hafenklang!

Schallalallala.



The Holydrug Couple:

 
 
 
 
 
 
 
 
 



Kikagaku Moyo: