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2020-04-03

CHRIS DINGMAN - Embrace

Es gibt Webseiten, die man am Monatsersten meiden sollte. Wenn beispielsweise Bandcamp die besten Jazzalben des Vormonats vorstellt, kann es durchaus gefährlich werden, in alles reinzuhören. Die Auswahl zum März 2020 ist so stark, dass ich zwei Alben sofort haben musste - und ich habe mich noch zurückgehalten.

Eines der beiden habe ich anderswo als CD bestellt, das andere direkt mit dem Datenhandschuh aus dem Cyber-Äther gegrabbt, bietet es doch genau das passende musikalische Gegengift zur seelischen Unruhe dieser surrealen, ungewissen Zeit:


CHRIS DINGMAN - Embrace (download) (2020)


Unter allen Instrumentalisten ist von Natur aus der Vibraphonist das Alphatier der Smoothness. Das ist uraltes Orchestergesetz und wird auch im Jazz über alle Spielarten hinweg akzeptiert.
Natürlich gibt es Rivalen im Revier, wie den mit warmem Holzplattenklang prahlenden Marimba-Spieler, der tatsächlich sogar sein direkter evolutionärer Vorfahre ist. Der lange Ausklang des Metalls, der die verschiedenen Töne in meditativer Schwebe vermengt, und vor allem das per Fuß gesteuerte namensgebende Vibrato lassen den Homo Vibrafonensis jedoch zumeist klar die Oberhand beim Buhlen um die Gunst des musikbrünstigen Hörers behalten.

Ich bin zwar kein erklärter Vibranaut, doch wann immer das Vibraphon in meiner Musiksammlung auftaucht, liebe ich es. Zumindest fällt mir kein Gegenbeispiel ein. Ob im traditionellen Jazz, im Jazzrock/Fusion von wie bei Colosseum, im wahnwitzigen Zeuhl von Magma, in orientalischer Rhythmik bei Yazz Ahmed oder geradezu verboten entspannend bei Bohren & der Club of Gore - das Instrument hat stets eine einnehmende, aber auch in Solos sich sanft ins Ohr schmiegende Energie, die nur mit wenigen anderen Schwingungen vergleichbar ist.

So sehr wie auf Chris Dingmans "Embrace" im Vordergrund habe ich es bisher selten erlebt. Im Jazztrio-Format, nur begleitet von Bass und Schlagzeug, übernimmt es hier sowohl melodisch als auch perkussiv oftmals gleich den Part zweier alternativer Instrumente. Dies geschieht zumeist durch das virtuose Spiel mit vier Mallets (großartig in "Goddess" oder im letzten Track "Folly Of Progress"), in "The Opening + Mudita" oder "Forgive/Embrace" aber auch durch den hypnotisierend exzessiven Einsatz des Vibratos.

Vom ein wenig an "Blackbird" (The Beatles) erinnernden Opener "Inner Child" an wandert und swingt Dingman durch zahlreiche Farben und Stimmungen. Allen ist gemeinsam, dass sie einen sehr viel herzlicher zu Hause willkommen heißen als die komisch verfremdete Welt da draußen.

Das samtige Antidot für die akustisch emotionale Ausbalancierung ist also da. Hoffen wir, dass die Medizin möglichst  bald nachzieht!




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