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2021-02-21

Resterampe 2020 (mit BLUES PILLS, JESU und MIZMOR)



Ok, die Überschrift klingt jetzt ein wenig despektierlich. Ist aber gar nicht so gemeint. Hier frühstücke ich einfach noch ein paar Musikveröffentlichungen des letzten Jahres ab, die erst kürzlich in meine Sammlung eingegangen sind.


Den Anfang macht ein Bündel aus vier Wiederveröffentlichungen des Black/Sludge/Funeral Doom- Metal-Projekts Mizmor:


MIZMOR - Mizmor (Tape) (2012/2020)
MIZMOR - Mishlei (Tape) (2018/2020)
MIZMOR - Yodh (Tape) (2016/2020)
MIZMOR - Cairn (Tape) (2019/2020)

Das überwiegend auf Kassetten spezialisierte Label Tartarus Records hat letztes Jahr alle drei Studioalben von Mizmor in luxuriös anzuschauenden Versionen im schwarzen Karton inklusive Booklet mit Texten und Artwork neu herausgebracht. Dazu kommt die erstmals 2018 erschienene Compilation "Mishlei", welche alle Tracks der Split-Releases zwischen Debüt und "Yodh" vereint und faktisch auch ein vollwertiges Album darstellt.

Alle vier zusammen gibt es mit Rabatt und inklusive Logo-Patch als Set. Und weil mein bisher einziger Mizmor-Tonträger die "Yodh: Live at Roadburn 2018"-CD gewesen ist, war der Versuchung, hier zuzuschlagen, einfach unmöglich zu widerstehen. Zum Glück!

Denn diese räudig mächtig epochale, musikalisch so bösartige, aber inhaltlich durchaus sehr ernsthaft durchdachte Diskographie, hat einfach keinen Schwachpunkt. "Cairn" ist ganz klar das krönende Meisterwerk, doch alles davor zeigt schon sehr deutlich den Weg dahin.

Wer sich in Black Metal getunkte Yob, Conan und Bell Witch vorstellen mag, auf Longtracks und auf extreme Vocals mit Wiedererkennungswert steht (diese aus einem hohlen Baumstamm zu kriechen scheinenden Growls klingen, wie das ikonenhafte Cover von "Yodh" aussieht), der bekommt mit Mizmor eine wunschlos beglückende Vollbedienung.

Und dieses Tape-Quartett ist natürlich ein Juwel in meiner jungen Sammlung.










JESU - Never (blue in white vinyl 12" EP) (2020)

Neulich im Review des neuesten Jesu-Albums "Terminus" hatte ich ja noch zu Protokoll gegeben, die vorangegangene Comeback-EP des Justin-Broadrick-Projekt ausgelassen zu haben, da es mir zu effektüberladen experimentell war und ich mich einfach noch nicht hineinhören konnte.

Inzwischen habe ich mich dann doch mal getraut, das immer noch in Farbvarianten erhältliche Vinyl zu bestellen. Anders als die als Beikauf mitgenommene Final-CD "Reading All The Right Symbols Wrong" von 2009, die mich auf Anhieb abholte, bleibe ich auch dabei, dass es sich bei "Never" zumindest für mich um das vielleicht bislang schwierigste Werk Broadricks (in meiner Sammlung; ich bin weit davon entfernt, Komplettist zu sein) handelt. Das Ding musste ich mir schon relativ mühsam erarbeiten.

Nicht, dass es sich hier um besonders komplizierte Musik handelt. Allerdings wurde die an sich auch emotional sehr direkte und eingängige Basis der vier Stücke dermaßen durch den Pixelschieberfleischwolf gedreht, dass der Mix aus Shoegaze und Elektro schon einen sehr fragmentarischen und künstlich distanzierten Eindruck macht.

Jetzt, da der Knoten geplatzt ist, kann ich den surreal träumerischen Charakter von "Never" auch voll genießen. Für Newbies, die nicht eh schon Fans sind, halte ich die EP allerdings für sehr herausfordernd. Da erschließt sich das stilistisch deutlich geerdetere Full-Length-Album mit Sicherheit trotz des langsameren Durchschnittstempos schneller.










BLUES PILLS - Holy Moly!
(2CD Digibook) (2020)

Zum Abschluss nun noch ganz andere Töne. Die Gemeinsamkeit zu Jesu ist, dass ich auch hier zunächst skeptisch war und lange mit dem Kauf (bzw. dem Hinzufügen auf meine Geburtstagswunschliste) zögerte.

Blues Pills ohne die naturtalentiere Wundergitarre von Dorian Sorriaux? Fehlt da nicht eines der wichtigsten Markenzeichen?
Dazu kommt die Neigung der Band, sich als erste Single gerne Stücke auszusuchen, die sehr formelhaft und on the nose sind und mich für sich erst einmal nicht allzu mächtig umhauen.

Letztendlich waren hier aber alle Sorgen müßig.

Der seit jeher für die zeitgeistige Authentizität verantwortliche Musiknerd und Hauptsongwriter Zack Anderson wechselt vom Viersaiter auf die Gitarre, was natürlich - in gar nicht so dramatischen Ausmaß - nicht mehr ganz so filigran und brilliant daherkommt, allerdings u.a. durch mehr direkten Dampf ausgeglichen wird. Sehr schnell wird klar, dass "Holy Moly!" das bisher am stärksten rockende Album der Band geworden ist.

Die von mir so hochgeschätzten Motown/Soul/Gospel-Elemente von "Lady In Gold" sind allerdings nicht verloren, sondern blitzen hier und da weiterhin hervor. Und wie!
Elin Larsson wird ja gewohnheitsmäßig von Album zu Album (und wenn live gespielt werden darf auf den Touren dazwischen) immer besser, und das gilt hier besonders für die hohen Soul-Schreie wie in "California", einem der Songs, die aus dem vorherrschenden Powertrio-Uptempo ausbrechen.
Zu jenen gehören auch das dunkle "Dust", das bittersüße "Wish I'd Known", der mit Piano und Streichern zu unerwarteter Größe wachsende "Song From A Morning Dove" und die abschließende Bluesballade "Longest Lasting Friend".

Moment! Habe ich da etwa tatsächlich "Trio" geschrieben? 

Technisch ist das für "Holy Moly!" korrekt, denn Neu-Bassist Kristoffer Schander posiert bisher nur auf Bandfotos und in Videos. Bis auf die überschaubaren, aber stets umso wirkungsvolleren Gastmusikereinsätze hören wir hier also tatsächlich das Trio LarssonAndersonKvarnström.

Vermutlich war es für die Band auch wichtig, im kleinen Kreis an diesem Ding zu werkeln. Das Resultat zeigt auf jeden Fall eine eng zusammengeschweißte und gewachsene Gruppe. Das Wunderkinder-Image früherer Tage ist komplett abgestreift und weiterer Souveränität und Songwritingqualität gewichen.

Ein großartiges Album. Vielleicht sogar das beste der Blues Pills. Allerdings  müsste man die Songs wohl live erleben, um diesen Eindruck zu verifizieren.


Eine deutliche Steigerung zur Debüt-EP "Bliss" von 2012 ist "Holy Moly!" ohne Frage. Komische Aussage, ich weiß. Darauf komme ich auch nur, weil eben jenes vergriffene Teil der Digibook-CD-Version des Albums als Bonus beiliegt.

Angesichts der vielen Neuaufnahmen und Liveversionen der hier vertretenen Hits "Bliss", "Astral Plane", "Devil Man" und "Little Sun" halte ich das Ding nicht zwingend für den allerheiligsten Gral, aber es ist halt wie es ist: Auch wenn man ein Blues Pills-Song schon neunundneunzig mal gehört hat, ist er halt beim hundertsten Durchlauf noch super.

Ok, "Devil Man" war mir in der Vergangenheit durchaus schon mal über, haha.








2021-02-17

EMMA RUTH RUNDLE & THOU - The Helm Of Sorrow

Most reviewers will obviously compare this collaborative EP of Thou and Emma Ruth Rundle with their previous full-length record "May Our Chambers Be Full". It's from the same sessions and the first limited special edition already featured the EP as an appendix.

Well, the thing with me is...
that I had ordered a copy on violet vinyl of said LP, but the retailer didn't receive enough items, so my order got canceled and I was a little sore and didn't buy the standard black version instead. I've pre-ordered a new coloured pressing now, but that will only arrive in a couple of months. And since I'm trying to develop a habit of not listening to albums to death online before I receive the actual physical copy, I'm really not familiar with the album yet.

I know that it probably is a strong album of the year 2020 contender though, because I'm a) not blind and have read stuff in the internet and I'm b) not deaf (yet) and have seen their joint performance at Roadburn Festival 2019, which was the whole cause for this liaison in the first place.



EMMA RUTH RUNDLE & THOU - The Helm Of Sorrow (12" EP) (2021)


With the disclaimer above it's clear that I can't really tell if the creative shares of the artists are distributed in the same way as on the album, but what is obvious on first listen is that the experimental slude/doom band is not collaborating just with the singer Emma Ruth Rundle, but with the whole package of guitarist, songwriter and singer.

"Orphan Limbs", the first track of the twenty minute EP, starts very quiet and reduced, centered around her typical guitar tone and surprisingly not her lead vocals, but those of Emily McWilliams, who has been a long-time member of the extended Thou family for a long time. (front left singer on this NPR music tiny desk concert)
Only in the last quarter of the song, when the volume is turned up and the shrill shrieks of Bryan Funck embody pure bestial anxiety, it is confirmed that the rest of this record will presumedly feature some super thick and heavy shit.

Further proof comes in exhibit B, "Crone Dance", where Funck and Emma Ruth Rundle share vocals equally. Technically it's inevitable that the comparison to Cult Of Luna and Julie Christmas comes to mind, even though the vibe of the tracks reminds me more of Subrosa and a version of My Dying Bride with multiplied gravity and bleakness. That final riff is so bad-ass heavy, you can bury a black whole under it.

"Recurrence" is the second track which sees ERR only on a bit of background vocal duty, while her dark melancholic guitar mixes with the sludgiest riff work, over which - almost a little too repetitive - Funck screeches out his entrails again.


Most reviewers will obviously compare the final track "Hollywood" with its original version from The Cranberries.

Well, the thing with me is...
I didn't really care neither for the band nor the scene or genre in the Nineties and I'm not even sure if I have ever heard the song before or if it just sounds loosely familiar because of its vocal phrasing similarities to "Zombie".

I know that this interpretation is pretty awesome though. Not only works the intensity of Thou extremely good with dark 90s alternative rock vibe (which along with a certain grunge influence seems to be a theme throughout the whole EP), but this is also where Emma's breathy voice shines the most.
Just as her famous 2 Minutes To Late Night cover of Kate Bush's "Running Up That Hill" she also absolutely nails this stylistically very different performance.


All in all this is one of those short records you can easily listen to on a loop.

Despite their generally interesting promise I somehow couldn't really find myself in the mood to explore Thou beyond that one show and the occasional clip here and there until now, so I clearly came into this as a fan of Emma Ruth Rundle, and I'm glad that this killer EPs has now properly introduced me to the band.

Will surely be continued when the full-length finally arrives here.




2021-02-12

MONO - Beyond The Past • Live in London with the Platinum Anniversary Orchestra

Livealben haben dieser Tage ja eh schon einen bittersüßen Beigeschmack.

Und wenn sie dann auch noch von einer der mächtigsten Livebands der Gegenwart auf der Spitze ihres Schaffens kommen... puh. Schweig, meine Seele, und lass dich treiben!


MONO - Beyond The Past • Live in London with the Platinum Anniversary Orchestra (2CD) (2021)

Die (99%ig) instrumentalen Postrock-Giganten Mono sind auf der Bühne grundsätzlich eine Bank, wie ich selbst bisher viermal erleben durfte, zuletzt als eines meiner letzten Prä-Corona-Konzerte im Dezember 2019 (knapp eine Woche vor dem hier aufgenommenen Konzert) und am epischsten ein halbes Jahr vorher, als sie in Tilburg das komplette Album "Hymn To The Immortal Wind" mit dem Jo Quail-Streicherquartett und Flügel darboten.

Die Idee, mit Orchester aufzutreten, ist für die Gruppe also nicht neu und wurde in der zwanzigjährigen Bandgeschichte auch schon ein paar mal in unterschiedlichen Größenordnungen  realisiert. Vor allem ist sie natürlich auch extrem naheliegend, da Mono auf ihren Studioalben schon seit jeher mit orchestralen Arrangements arbeiten.

Diesen live einzubeziehen ist also "nur" eine weitere Schicht Volumen, Bombast, Gefühl auf den ohnehin schon unglaublich lauten, überwältigenden Grundsound der vierköpfigen Band an sich. Wobei "nur" selbstverständlich das letzte Wort ist, welches man im Zusammenhang mit diesem hier perfekt für die Ewigkeit konservierten Konzert benutzen darf. Die Wand an Klang und Emotionen, welche Mono und die zahlreichen Mitstreiter hier entfesseln, erreicht eine naturgewaltige Größe, die selbst in der Diskographie der Japaner herausragt.

Natürlich gab es vor kurzem erst die noiserockmusikalisch rauhere Steve-Albini-Studiosession auf "Before The Past • Live From Electrical Audio", doch selbst diese kann sich "Beyond The Past" gegen Ende seiner zweistündigen Spielzeit noch einverleiben, als einem auch hier der über viertelstündige Brocken "Com(?)" mit vollem Besteck durch den Körper gejagt wird.

Und an diesem Punkt ist schon so wahnsinnig viel geschehen. Das Konzert folgt zunächst zwanzig Minuten lang dem letzten Albums "Nowhere Now Here", welches insgesamt die Hälfte der Tracklist ausmacht und einige der zahlreichen Highlights markiert. So hatte mich eruptive Auftakt mit "After You Comes The Flood" blitzschnell in der Tasche und "Breathe", der erste Song der Bandgeschichte mit hauseigenem Gesang durch Basserin Tamaki, unentrinnbar verzaubert. Und was soll man erst zum Titelsong oder dem später im Set auftauchenden Spannungsbogen von "Meet Us Where The Night Ends" sagen?

Das reguläre Programm endet mit einer enorm dynamischen Version von "Halycon" und dem beinahe unverzichtbaren Überflieger "Ashes In The Snow", ehe es in der Zugabe vor dem bereits erwähnten Finale noch eine besondere Überraschung gibt, nämlich die Livepremiere des Stücks "Exit In Darkness" mit Sängerin A.A.Williams von der gleichnamigen EP. So eigenwillig sanft, warm und charismatisch... Gänsehaut!

Das Orchester, die auch hier wieder präsente Freundin der Band, Cellistin Jo Quail, alles ist hier ideal eingebettet. Die Dramaturgie der insgesamt zwölf Stücke lässt die zwei Stunden wie im Fluge vergehen. Dieses Livealbum kann alles. Vermutlich sogar die Kinder ins Bett bringen und zum Frühstück Eier kochen. Ich kann mir nicht vorstellen, wie man das Gefühl, diese Genregroßmeister persönlich zu erleben, besser einfangen (und für alle, die nicht speziell bei diesem überlebensgroßen Event dabei gewesen sind, noch ein extra Kirsche obendrauf servieren) kann.

Ich würde "Live in London with the Platinum Anniversary Orchestra" auch ganz klar Mono-Neulingen als Einstieg empfehlen.

Ich selbst habe mir jedenfalls das Doppel-CD-Digipack bestellt. Natürlich gibt es von Pelagic Records auch wie immer schöne limitierte Vinylausgaben, die ich mir diesmal verkniffen habe, da ich mir schon von einer anderen Labelveröffentlichung, die ich hier demnächst bespreche, das (nicht ganz) schwarze Gold gönnen musste. "Musste". Ihr wisst schon...

Das Livealbum erscheint offiziell am Freitag, den neunzehnten März. Wie lange die physischen Tonträger tatsächlich auf sich warten lassen, weiß man speziell heutzutage ja nie wirklich, doch dass sich das Warten auf jeden Fall lohnt, kann ich hiermit hoch und heilig versprechen!











2021-02-11

MANSUR - Karma

Das nächste logische Review nach den beiden neuesten Reissues von The Mount Fuji Doomjazz Corporation und The Kilimanjaro Darkjazz Ensemble ist natürlich der Blick darauf, was einer der treibenden Köpfe dahinter, Jason Köhnen, heute so macht.

Mansur überzeugten ein paar Monate vor dieser Debüt-LP ja bereits mit der EP "Temple". Womit wir auch schon bei meinem persönlichen Dilemma mit dieser Rezension sind. Da die konzeptionelle Prämisse stabil bleibt, habe ich eigentlich gar keine andere Wahl, als vieles von dem, was ich letztes Jahr schon schrieb zu wiederholen.


MANSUR - Karma (clear vinyl LP) (2020)


Wie schon auf der EP besteht das Trio aus Sängerin Martina Horváth, Ex-Phurpa-Mitglied Dimitry El Demerdashi an der Oud (orientalische Kurzhalslaute) und Jason Köhnen an beinahe allem anderen, also Percussions, Flöten, Keyboards, Samples und wer weiß, was noch alles... Dazu gesellen sich in den zehn durchschnittlich etwa viereinhalb Minuten kurzen Stücken hier und da noch Gastmusiker an Kontrabass und Violine.

In Köhnens Diskographie verortet sich der Sound von Mansur am ehesten auf halber Strecke zwischen dem frühen Kilimanjaro Darkjazz Ensemble, welches auf "Here Be Dragons" ähnlich nahtlos Zeitlosigkeit und Moderne verband, und den noch stärkeren Arabismen und Mystizismen des direkten Vorgängerprojektes The Thing With Five Eyes.

Insgesamt setzt sich hier der Trend weg von westlichen (Doom)-Jazz- und Klassikeinflüssen, hin zur immer weiteren weltmusikalisch folkloristischen Öffnung fort. Horvárths und El Demerdashis Anteile treffen sich für mich dabei zwischen The Moon And The Nightspirit, Dead Can Dance und Saba Alizadeh. Und mit jedem Vergleich, der mir in den Sinn kommt, fühle ich mich hier ein bisschen wie ein Frevler, der versucht, das magische Moment dieser Musik fort zu analysieren. Zum Glück bin ich zu doof, um das zu schaffen.

Köhnen war ja schon auf mehreren Alben sehr erfolgreich darin, ein menschheits- und weltumspannendes Bild zu malen, und so ist auch Mansurs "Karma" eine Geistesreise um die Welt, bei der man immer glaubt, über mehreren Orten auf gegenüberliegenden Seiten des Globus gleichzeitig zu schweben.

Diese Musik ist fremd und entrückt und gleichzeitig zutiefst vertraut.
Und auch wenn "Karma" bis auf den Ausnahmetrack "Logos" klanglich vordergründig erst einmal wenig mit den dröhnenden Kehlkopfgesängen von Phurpa zu tun hat, so scheint mir hier doch die Gemeinsamkeit einer wilden prähistorischen Urkraft gegeben, eines alle Kulturen verbindenden, auch durch die elektronischen Elemente nicht wegmodernisierten, schamanistischen Elements, welches der Musik eine substanzielle Tiefe verleiht, welche direkt jenen Teil des vererbten Unterbewusstseins triggert, der nach der höheren Bedeutung des Seins fragt.

Die Frage bleibt natürlich wichtiger als die Existenz einer Antwort. Ob hier tatsächlich wissentlich Sinn verbreitet wird, oder ob einfach nur fantastische Schauwerte betörend zusammengefügt wurden, spielt angesichts des - zu den Maximalzielen, die Musik anstreben kann zählenden - Resultats letztendlich nämlich gar keine Rolle.

Denn ein Meisterstück haben Mansur hier in jedem Fall kreiert.

Auf transparentem Vinyl (auch in schwarz und auf CD erhältlich) präsentiert Denovali die Scheibe nicht sensationell, aber gewohnt - und angemessen - schick.

Gesamturteil: ein Traum!



Die Videos von Mansur bleiben auch mit dem Album sehr sehenswert:





2021-02-07

THE MOUNT FUJI DOOMJAZZ CORPORATION - Anthropomorphic / THE KILIMANJARO DARKJAZZ ENSEMBLE - Here Be Dragons

Und hiermit geht Denovalis Vinyl-Wiederveröffentlichungsreihe der Alben von The Kilimanjaro Darkjazz Ensemble und dessen improvisatorischeren Alias The Mount Fuji Doomjazz Corporation in die nächste Runde!




Wie immer gilt dabei, dass es sich um Doppelalben auf farbigem Vinyl handelt, an dem es optisch, haptisch, klanglich nichts zu Meckern gibt. Alle Alben sind ebenso auf CD erhältlich.






THE MOUNT FUJI DOOMJAZZ CORPORATION - Anthropomorphic (Clear Yellow vinyl 2LP) (2011/2020)


"Anthropomorphic" sticht nur durch sein knallgelbes Cover aus der Diskographie der Doomjazz Corporation heraus, sondern unterscheidet sich auch in einem anderen Punkt von "Succubus", "Doomjazz Future Corpses", "Egor" und "Roadburn", die ja alle in einer Liveshow mitgeschnitten wurden.

Dieses Album wurde hingegen auf drei verschiedenen Konzerten in den Niederlanden, Polen und Russland von unterschiedlichen Bandbesetzungen aufgenommen - was man allerdings ohne Vorwissen gar nicht merken würde. Auch wenn die vier LP-Seiten als "Space", "Dimension", "Form" und "Function" betitelt sind, morphen die drei Teile zu einem großen einstündigen Stück zusammen, so wie es in der rein digitalen Bandcamp-Version ja auch präsentiert wird.

Der erste, bei weitem längste Teil, der bis tief in die zweite Seite hineinragt, wird nur von Hilary Jeffery an der effektgetränkten Posaune und Eelco Bosman an der selten konkret fassbaren, dröhnenden Gitarre bestritten.
Im zweiten Teil übernimmt Jason Köhnen das Gitarrenfundament, welches sich mit den Elektrogeräuschen Gideon Kiers' vermengt, über das Sarah Anderson an der Geige und Nina Hitz am Cello ihre Bilder malen.
Bis auf das Cello kommen im dritten Teil dann alle Instrumente zusammen und werden durch sparsame, aber umso effektivere Einsätze von Drums (Ron Goris) und mystischem Gesang (Charlotte Cegarra) komplettiert.

Melodien schälen sich nur selten heraus. Wer erwartet, dass dies irgendwann zu einem "richtigen" Song wird, der ist hier verkehrt. Nein, "Anthropomorphic" hat noch nicht einmal einen Schluss, sondern fadet auf dem Tonträger aus, kann im Kopf aber noch eine Ewigkeit weiterlaufen.
Alles hier ist Textur und Atmosphäre, bis zur Unendlichkeit verlangsamter Free Jazz. Und da dies auf meisterhaftem Niveau geschieht, muss es auch gar nicht mehr sein. Gerade die relativ reduzierte Besetzung der Corporation für drei Viertel der Albumspielzeit, übt hier einen besonderen Reiz auf mich aus.

Grafisch - und dann noch mit den gelb transparenten Schallplatten - ist das Ding natürlich auch ein Traum. Das ist ganz großes Design.








THE KILIMANJARO DARKJAZZ ENSEMBLE - Here Be Dragons (Swamp Green vinyl 2LP) (2009/2020)

Was die Vinylfarbe angeht, ist die neue Pressung des zweiten Darkjazz Ensemble-Albums "Here Be Dragons" ganz klar subtiler, kann man ohne Gegenlicht doch glatt übersehen, dass es sich überhaupt um grün statt schwarz handelt.

Das passt auch zum musikalischen Inhalt, der wesentlich tiefer und facettenreicher ist, als ein das oberflächliche Anspielen eines beliebigen seiner neun Tracks vermitteln würde.

Was das Kilimanjaro Darkjazz Ensemble macht, ist schon stets nachvollziehbarer strukturiert als die Slow-Motion-Eskapaden der Doomjazz Corporation, wer also eher auf übersichtliche Songs, teilweise sogar mit samtweich gesäuselten Gesangsstrophen (Ich fühle mich oft ans Kaiti Kink Ensemble erinnert.) steht, der legt diese Alben sicher eher auf.

Und auf "Here Be Dragons" ist die Idee der Band wohl am dichtesten realisiert.
Unmengen cineastischer Bilder beschwörender Jazz, der einem durch das getragene Tempo sehr viel Zeit gibt, all seine sehnsuchtsvollen Streicher-, Posaunen-, Klaviereinsätze zu genießen.

Da die Rhythmen komplett von Elektroinstallateur Gideon Kiers gesampelt / programmiert sind, verschiebt sich allein hierdurch schon der stilistische Rahmen hier und dort weg vom tatsächlichen Jazz zu Dub, fast schon Trip-Hop und Post Rock, ehe im finalen "The MacGuffin" alles zerfasert und sich in Ambient und Noise auflöst.

Atmosphärisch bleiben Köhnen, Cegarra und Co. dabei allerdings immer sehr koherent und entlassen einen für keinen Moment aus der spannungsgeladenen Szenerie ihres imaginären Films.
Neben dem Corporation-Album "Succubus" scheint mir "There Be Dragons" so das am klarsten das Genre Doomjazz definierendste Werk des Ensembles zu sein.

Essentiell.






2021-02-06

BANDCAMP DAY Februar 2021 mit CHELSEA WOLFE feat. EMMA RUTH RUNDLE, RYLEY WALKER and KIKAGAKU MOYO und BURNPILOT

Auweia, ich horte und ordere im Moment doch schon wieder viel mehr Musik, als ich überhaupt angemessen konsumieren kann! Und dann kommt auch noch der Bandcamp Friday aus dem Winterurlaub zurück. Für die nächsten Monate gilt also wieder, dass jeweils am ersten Freitag Bandcamp auf Gebühren verzichtet und hundert Prozent der Einnahmen an die Künstler/Labels gehen.

Da ich wie gesagt erstmal wieder mit dem Hören hinterher kommen muss, habe ich mich einigermaßen zurückgehalten und ein paar interessante Veröffentlichungen zunächst nur vorgemerkt.

Diese drei waren allerdings zwingend fällig: 



CHELSEA WOLFE feat. EMMA RUTH RUNDLE - Anhedonia (download) (2021)

Bereits vor einer Woche erschienen, ist dieser gemeinsame Song der beiden Sargent House-Gewächse Chelsea Wolfe und Emma Ruth Rundle natürlich für jeden Fan ein absoluter No-Brainer. Mit beiden Künstlerinnen an Gesang und Gitarre, und von Ben Chisholm mit reichlich Synthieatmosphäre unterlegt, ist "Anhedonia" eine auch textlich sehr bewegende Düsterballade, die viele Hörer unweigerlich nach einem gemeinsamen Album schreien lässt.
Ich persönlich finde nicht, dass man diese Magie überstrapazieren sollte. Doch ein physischer Labelsampler, der verschiedene einzeln veröffentlichte Solosongs und Kollaborationen (natürlich inklusive Namen wie Lingua Ignota, Brutus, Dylan Carlson, Jaye JayleMutoid Man) zusammenstellt, wäre schon eine Idee, oder?




RYLEY WALKER and KIKAGAKU MOYO - Deep Fried Grandeur (download) (2021)

Der Singer/Songwriter Ryley Walker war mir bisher nicht bekannt, und allzu viel wird mich dieses Album über seinen regulären Sound sicherlich auch nicht lehren, handelt es sich doch um die Liveaufnahme eines Konzerts vom Le Guess Who? Festival 2018, für das ihn die Veranstalter gebeten haben, mit einer anderen Band des Billings zu kooperieren. Zur Freude aller Freunde erstklassiger Psychedlic-Rock-Improvisation hat er dafür die Japaner Kikagaku Moyo ausgewählt.
Ähnlich wie deren Jam mit Earthless, den ich 2018 auf dem Roadburn Festival bezeugen durfte, ist das, was die insgesamt neun Musiker hier vom Stapel lassen, Garant für offene Münder und entrückte Glückseligkeit. Allerfeinster weltmusikalisch angehauchter Jam auf einem Niveau, das ähnlich noch von Größen wie Brian Ellis oder Causa Sui rausgehauen werden dürfte. Wem das auf Schallplatte erschwinglich über den Weg läuft, der sollte auf jeden Fall zugreifen!




BURNPILOT - Infinitism (black/white vinyl) (2020)

Dieses aktuelle Album des Pink Tank Records-Trios aus der Stadt, die es nicht gibt, kam bereits letztes Jahr im April raus, ging damals allerdings wie so vieles komplett an mir vorbei. Zum Glück konnte ich mit nun aber immer noch eines der letzten Exemplare der schwarz/weiß geteilten Schallplattenversion sichern.
Beide Seiten bestehen jeweils aus einer langen, überwiegend instrumentalen Krautrockachterbahnfahrt, was mit der traditionellen Selbstbeschreibung als "Psychedelic Punk" nur noch punktuell rudimentär zu tun hat, was mir aber gar nichts ausmacht, da diese abenteuerlich ausschweifende, hier tanzbar auf der Bassdrum umpffumpffende, dort ruhelos voranpreschend rockende und anderswo elektronisch wabernde Version der Band ja auch schon live 2018 mein Lieblingspilot gewesen ist. "Infinitism" ist in Nachbarschaft von Alben wie Slifts "Ummon" und "\ /" von den Labelkollegen Camel Driver nun auf jeden Fall auch einer meiner Psych-Lieblinglinge 2020.  


EDIT 19.02.: Die LP ist zwischenzeitlich angekommen. Ist schwer, klingt gut und sieht schön schwarzweiß aus.




2021-02-04

It's February. Obviously. (But what does it mean for this blog?)

 


In previous years this picture would have looked different, because I made it a Christmas tradition to gift myself a calendar with prints of concert photographs I had taken with my Harinezumi camera during the year.
This time there was of course a painful lack of material to do that, so I just bought an empty calendar on which I tape some old stuff at the beginning of each month. Which is nice too, since it gives some old prints a purpose for a couple of weeks.

But yeah, it's now one year since I was able to write about a live show on this blog. Which is not only sad for the fact that I fucking need live music in my life, but also because those live reviews have kind of become the soul of this whole blog operation.
Of course they never made the majority of entries here, but without them my motivation - or let's better say my creative inspiration - to write about music in general is... not really declining, but surely wavering to some degree.


Partially it may also be an attention matter. Not that I generally have a big problem with writing mostly for myself and a rather small crowd (I wouldn't randomly switch between english and german or just change the blog title as often as I do if I had), but it is nice to get some traction here and there. And that mainly happens through artists who actively share my writings on facebook (like Laibach as a prime example) and live reviews plus the occasional other lucky link.

Some photographic topics also have that potential to attract viewers, but I've been getting more and more behind in scanning, editing and publishing my pictures, and I don't see that changing in the near future. Especially for the editing part I just rarely find the nerves these days, even though I mostly just clean up scratches and lint from the negatives.

I didn't even bother to compilate my photographic highlights of 2020 here. I have still shot stuff (both released and unreleased) which I'm pretty happy with, but there are just too many distractions and changes outside of my hobbies right now, and ultimately I have to draw some lines where I admit that just don't have enough time and energy left at the moment.


One of said changes is that I'm transitioning into a new full-time job outside of my home right now. I know, that's not the most exemplary move during a pandemic, but it's just impossible to learn new tasks and processes from the reclusive comfort of your home office. It's a relatively safe environment, the occasional covid-19 test inclusive, though. That test isn't as bad as I imagined it to be, but boy, I'm still very much in for the vaccine, so please bring it!

And while there are of course significants ups about my new occupation (why else would I've taken it?), there are of course a couple of downsides, which might affect the form and/or frequency of this blog. Less opportunity to listen to music is undoubtly a major one, but also the luxury of just writing or proof-reading a couple of lines during lunch break will surely be missed.

So if there'll be significantly less post here in the future, you have an idea why that's the case. But maybe there won't even be such a drastic difference. I honestly don't know. Let's just see how things go...


What I know for sure though is that it's only around ten hours until the next Bandcamp Friday.

So what are you waiting for? Get this one!


Or this!




Or this!





It's all pay what you want, so where's the harm? Come on! :)