- out of the black light
and through the eye of the fire -
Hier gibt's das Review vom ersten Festivaltag:
PROPHECY FEST in der Balver Höhle 2021 • TAG 1: Freitag, 10. September (mit ARTHUR BROWN, DORDEDUH performing NEGURĂ BUNGET u.a.)
Guten Morgen! Nach einer komfortablen Nacht im hauptsächlich mit Besuchern des Prophecy Fests belegten Gästehaus eines Vier-Sterne-Hotels etwa zehn Minuten von der Balver Höhle, war es zunächst einmal an der Zeit, etwas Tourist zu spielen und neben meiner Spielzeugdigitalknipse auch noch ein paar Filmkameras auszuführen.
Ein Steinbruch mit blauem Lagunensee lag unweit entfernt, doch weil ich zu stolz war, auf demselben Weg umzukehren, wurde meine kleine Wanderung viel zu lang. Und dadurch, dass meine Socken zu dünn für mein Schuhwerk waren, rutschte ich bei den vielen ungewohnten Steigungen dieser Landschaft doch etwas in meinen Latschen hin und her und handelte mir so eine fiese Blase ein. Autsch.
Zumindest hatte ich danach einen triftigen Grund, für eine weitere Weile erschöpft ins Bett zu fallen. Beinahe wäre ich so mittags ins Hintertreffen geraten, und hätten Fvnerals, die eigentlichen Opener des Tages, ihren Auftritt nicht abgesagt, dann wäre ich auch nicht pünktlich zu Programmbeginn in der Höhle angekommen.
Glücklicherweise passte es diesmal aber ganz genau, und kaum war ich an der Bühne angekommen, ging der Spaß auch schon los.
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Spiritual Front |
Ich finde ja immer noch, dass Spiritual Front ein paar Livemusiker zu kurz aufgestellt sind, da mit allem außer Gesang, akustischer und Leadgitarre und Drums doch ein ziemlich fetter Anteil vom Backing Track kommt. Ein Orchester kann und muss man ja nicht dabeihaben, aber zumindest die beinahe immer präsenten Instrumente Bass und Akkordeon hätten durchaus leibliche Anwesenheit verdient. Zumal es bei dieser Gruppe ja auch thematisch viel um Körperlichkeit geht, nicht wahr?
Gefallen hat's mir der flotte Mix aus Post Punk, Cash, Isaak und Italoschlager aber auch diesmal wieder sehr. Und nach dem nur von drei Trommlern und Gesang getragenen Finale von "Children of the Black Light" war für mich auch klar, dass ich die CD des 2018er Albums "Amour Braque" zur Ohrwurmabtötung auf der Heimfahrt mitnehmen musste.
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Eïs |
Bandnamen, die sich ohne auf sie zugeschnittenes Logo irgendwie komisch lesen, Teil 1.
Musikalisch wurde hier wenig überraschend vor allem Black Metal geboten. Wie bereits in meinem Freitags-Bericht ausgeführt, ist der Hang zu fremdschamgefährlicher deutschsprachiger Düsterlyrik nicht so mein Lieblingsmarkenzeichen unter Prophecy-Künstlern, doch musikalisch holten Eïs die Kohlen zumeist wieder aus dem Feuer.
Die reine schwarze Blastlehre alleine wäre mir auf Dauer sicherlich zu eintönig, weswegen es gut war, dass die Band ihren Sound mit Samael-Stampfern, sogar noch langsamerem, in Richtung symphonischer Postrock/Blackgaze tendierenden Passagen und Elektronik auflockerte.
Nichts für meine Plattensammlung, aber eine solide Performance, über die man nicht meckern kann.
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E-L-R |
Bandnamen, die sich ohne auf sie zugeschnittenes Logo irgendwie komisch lesen, Teil 2.
Mit dem Schweizer Trio E-L-R wurde es nun doomend, sludgend, postmetallend heavy, aber dabei auch traumhaft hypnotisierend. Das Stilmittel der Wiederholung zwar weit, aber klar unterhalb der Schwelle zur Redundanz auslotend, wären die Song ihres 2019er Albums "Mænad" schon instrumental perfektes Futter für Freunde von Bands wie Russian Circles oder ihren Labelkollegen GlerAkur gewesen.
Doch der feenhafte Harmoniegesang der beiden Frontdamen gab der Gruppe ihre ganz eigene Magie, die diese Show zur transzendentesten Erfahrung dieses Wochenendes machten.
Wäre dies ein englisches Review, dann stünde hier jetzt: Mesmerizing!
Der Fototourist in mir meldete sich nun wieder. Ich hatte noch unbelichtete Positionen auf meinen Filmen vom Vormittag übrig, also machte ich mich nun auf, diese auf einem Spaziergang Richtung Ortsmitte zu füllen.
Am Zustand des offenbar stark unterspülten und dadurch beschädigten Fuß- und Radweges entlang der Hönne war übrigens zu erkennen, dass auch Balve von den dramatischen Hochwassern dieses Jahres betroffen war.
Während ich mir zurück auf dem Festivalgelände meine durch die Bewegung verdiente Kohlenhydratzufuhr in Pommesform gönnte, spielten zwar noch Klimt 1918, aber das nahm ich zu peripher wahr, um an dieser Stelle irgendwas über sie schreiben zu können.
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Dordeduh |
Ganz anders verhielt es sich dann natürlich mit den heute ganz als sie selbst auftretenden Dordeduh, die ich mir wieder aus der ersten Reihe anschaute. Ich hatte bisher nicht die Muse gehabt, mich mit ihrem neuen Album "Har", welches ja ziemlich sensationelle Reaktionen in Kritikerkreisen einheimst, auseinanderzusetzen und mir die erste richtige Bekanntschaft mit dem neuen Material einfach für diesen Moment aufgehoben. Eine Entscheidung, die ich nach dieser großartigen Show nicht bereue, auch wenn es zwischenzeitlich etwas Mühe kostete, nicht von den äußerst enthusiastischen rumänischen Superfans neben mir aus der Höhle gedrückt zu werden.
Dordeduh fuhren neben dem üblichen Death/Black-Metal-Besteck aus Drums, Bass und zwei Gitarren noch zusätzliche Trommeln, ihr großes hängendes Signatur-Holzbrett, sowie gleich zwei gehämmerte Dulcimer auf. Die Verbindung von extremem Metal mit folkloristischen und neoklassischen Elementen ist natürlich eine der Grundideen, auf denen das Prophecy-Label aufgebaut ist. Und abgesehen vielleicht von Lotus Thief oder den ehemaligen Prophecylern Alcest repräsentiert wohl kaum eine andere Band die Verschmelzung dieser - und noch einiger anderer, darüber hinausgehender - Bestandteile so rundum gelungen und vor allem authentisch wie die Rumänen.
Mit "Har" sollten Dordeduh sich in einer idealen Welt eigentlich eine Vorreiterposition in der aktuellen Metallandschaft verdienen. Live wurden sie dem meisterhaften Album auf jeden Fall gerecht.
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Dool |
Nach Dordeduh blieb ich während des Umbaus einfach vorne an der Barrikade sitzen, denn nun folgte die Gruppe, die neben der Location an sich nicht zum ersten Mal der zentrale Kicker für mich waren, diese Veranstaltung überhaupt zu besuchen.
Viermal hatte ich die Düsterrocker
Dool bisher live erleben dürften, und zumindest die Auftritte im aus allen Nähten platzenden
Cul de Sac auf dem
Roadburn Festival 2016, als noch einmal alles komplett umkrempelnde Tagesopener beim
Hell Over Hammaburg 2017 und mit um zusätzliche Musiker verstärkter Besetzung auf dem
Prophecy Fest im selben Jahr, waren jedes auf eigene Weise überwältigend und adäquat nur als legendär zu beschreiben.
Die Messlatte lag also hoch, ebenso aber die Motivation der Band, nach zwei Jahren Pause endlich wieder eine Bühne in Grund und Boden zu rocken.
Gespielt wurden vor allem Stücke des im April 2020 veröffentlichten zweiten Albums
"Summerland", welchem eine Releaseshow bisher versagt geblieben war. Es schien sogar so, als würden
Dool das ganze Ding am Stück präsentieren, doch gegen Ende schummelten sich auch noch das
Killing Joke-Cover
"Love Like Blood" und der eigene Überflieger
"Oweynagat" (Gänsehaut beim Solo!) in die Setlist.
Ryanne von Dorst nennt sich jetzt Raven (mehr goth ging nicht, oder?), doch ansonsten blieb alles beim Alten: der unglaubliche Drive der Rhythmussektion, die mit drei Gitarren protzenden Riffs, Licks und Leads zum Niederknien, die charismatische, powervolle und versatile Stimme und der arschtretende Auftritt der kompletten Band... Dazu noch die Livepremiere von absoluten Krachern wie "Wolf Moon", "Summerland" und "Dust & Shadows", und ich sehe mich erneut gezwungen, die Trophäe für den Festivalsieg an Dool zu überreichen.
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Deine Lakaien |
Nur mit Steinway & Sons-Flügel, Stimme und Ist-das-noch-eine-Frisur-oder-schon-ein-Hut ausgestattet, boten Deine Lakaien danach ein perfektes Kontrastprogramm. Witzig der Anfang als Sänger Alexander Veljanov das Publikum begrüßte und es gleich darauf zu einer Unterbrechung kam, weil Ernst Horn merkte, dass er mit Festivalarmband am Handgelenk nicht spielen konnte und schnell eine Schere auf die Bühne flitzen musste.
Für gute Musik braucht es manchmal auch nicht mehr als einen überzeugenden Dark Wave-Sänger und ein virtuoses advantgardistisches Klavier. Gespielt wurden abgesehen vom Patti Smith-Cover "Because The Night" alternative Versionen von Stücken aus der fünfunddreißigjährigen Bandgeschichte des Duos. Da die meisten Lieder nicht allzu lang waren, gab es natürlich eine ganze Menge, wovon ich als Neuling nach einer halben Stunde dann auch zufrieden gesättigt war.
Das wäre nun auch der ideale Zeitpunkt gewesen, um mich für dieses Jahr von der Balver Höhle zu verabschieden.
Dummerweise blieb ich allerdings doch eine ganze Weile länger, um nach ausgiebigem Genuss der Stille (und Aufladen meines Smartphones) im Auto der letzten Band eine Chance zu geben...
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Empyrium |
Manchmal komme ich mir hier ja schon fast wie ein Arsch vor, aber was kann ich denn dafür, dass in der Qualität der Prophecy-Künstler derart dramatische Scheren klaffen? Und dass gerade die Gruppen, die das Label groß gemacht bzw. überhaupt erst zu dessen Gründung beigetragen haben, dann auch noch zu den schlimmsten Ausreißern gehören, macht es für mein Rezensentengewissen nicht besser.
Ich wurde ja schon skeptisch, als ich in dem großen Musikeraufgebot während des aufgrund der Menge recht ausgiebigen Soundchecks, den Räusperer von Dornenreich als zweiten (oder war es dritten?) Gitarristen sah. Ansonsten gab es hier neben dem auch bei Sun Of The Sleepless aktiven Sänger/Gitarristen, der auch Dulcimer spielte, u.a. noch einen Keyboarder, welcher zusätzlich opernhaften Gesang beisteuerte und eine Violinistin. Alles ziemlich viel für letztendlich ziemlich wenig.
Mit zahlreichen an sich z.T. durchaus interessanten klanglichen und stilistischen Versatzstücken operierend, hatte ich sehr bald das Gefühl, dass mir Empyrium eine übertrieben ausschweifende Geschichte erzählen wollten, dabei aber einen erheblichen Mangel an literarischem Talent mit aufgeblasenem Schwulst kaschierten. Oder anders gesagt: Die Geschichte ging komplett an mir vorbei. Nein, was ich bei Dordeduh weiter oben noch gelobt habe, das ging hier aber mal komplett in die Hose. Ich fand es geradezu ärgerlich, dafür noch geblieben zu sein.
Das war selbstverständlich meine eigene Schuld, weil ich mich so minimal auf das Programm vorbereitet hatte. Zwei Tage später schmiss ich den Best Of-Sampler der Prophecy-Anthologie, die alle Besucher beim Einlass bekommen hatten, ein und siehe da: erster Song von Empyrium und Alter, was für eine öde, affektierte Kackmusik. Hätte ich das vorher gewusst, hätte ich mir an dieser Stelle satte drei, vier Absätze Text sparen können.
Ich weiß, es kommt ein bisschen doof, diesen Bericht mit solch einem Rant abzuschließen. Aber es ist halt, wie es ist. Insgesamt war es ja immer noch ein Festival mit vielen guten bis großartigen Shows, und dazu sehr liebevoll und besucherfreundlich gestaltet.
Wenn man dann noch bedenkt, dass ja diverse Künstler im Vorfeld abspringen mussten und andere aus bekannten Gründen wohl gar nicht erst in Erwägung gezogen worden sind, dann möchte ich nicht ausschließen, dass bei der nächsten Ausgabe in zwei Jahren vielleicht sogar ohne Dool ein derart starkes Line-Up aufgefahren wird, dass ich gerne wieder dabei bin.
Ok, das war's jetzt aber. Wirklich schön, mal wieder die Gelegenheit gehabt zu haben, so ein Geschreibsel zu verfassen! Und ab nach Hause. Tschüssikowski!